Kürzlich bin ich, auf Hinweise eines Kollegen, auf der Plattform Upworthy über die berührende Geschichte von Lennie und Pearle gestolpert.
Vor 48 Jahren haben sie sich kennengelernt und verliebt, die beiden Frauen Lennie und Pearl. Erst im hohen Alter hatten sie die Möglichkeit zu heiraten. Kürzlich feierten sie ihren ersten Hochzeitstag. Über die Liebesgeschichte von Lennie und Pearle wurde ein sehenswerter Dokumentarfilm gedreht mit dem Titel „Living in the Overlap“. Mehr Informationen, sowie einen Trailer finden Sie auf der Website www.lennieandpearl.com.
Hier aber schon jetzt ein kleiner Einblick in die Lebens- und Liebesgeschichte von Lennie und Pearl:
Für mich war der kleine Film ein Anlass ein bisschen über Homosexualität und Alter nachzudenken. Homosexualität und Alter bzw. Älterwerden ist ja immer noch ein Tabu (ist ja Sexualität und Alter auch noch!) und wissenschaftlich ein noch mäßig aufbereitetes Thema. Aber Schritt für Schritt findet ein Umdenken und eine Öffnung statt. Nach Jahren der Diskriminierung und des Totschweigens, erreicht das Thema Homosexualität in letzter Zeit immer mehr Öffentlichkeit und gerät in Bewegung. Eingetragene Partnerschaft, künstliche Befruchtung lesbisch lebender Frauen, nicht zu vergessen Conchita Wurst – da tut sich was!
Auch das Älterwerden Homosexueller wird langsam Thema. Zwei Beispiele:
Die Stadt Wien etwa macht eine Studie zu Homosexualität und Alter. Homosexuelle Menschen ab 40 werden gefragt, welche Bedürfnisse und Wünsche sie beim Wohnen und in Fragen der Pflege haben. Auf die Ergebnisse kann man gespannt sein.
Auf einer Pflegeplattform las ich kürzlich die Information eines Betreibers, dass er ein Seniorenheim plant für Menschen, die gleichgeschlechtlich lieben und leben. Das Posting wurde von AltenpflegerInnen heftig und sehr kontrovers diskutiert. Aber immerhin diskutiert! Ein Anfang ist getan.
Zukünftig ältere homosexuelle Menschen werden sicher mit viel mehr Offenheit ihr Leben leben können, als heute Hochbetagte. Diese haben Diskriminierung erlebt, mussten sich mit ihrer sexuellen Orientierung ihr Leben lang verstecken.
Ich erinnere mich an einen amtlich angeordneten Hausbesuch, den ich bei einer alten pflegebedürftigen, leicht dementen, Dame machen musste. Sie lebte, wie sich zeigte, mit einer Frau zusammen. Im Gespräch erklärte sie mir immer und immer wieder, dass die andere Frau nur ihre Betreuerin wäre, eine Freundin, die sie im Alltag unterstütze. Am Ende unseres Gesprächs drängte sie mich sogar dazu ihr gemeinsames Schlafzimmer zu besichtigen. Als sie die Türe zum Schlafraum öffnete, sah ich zwei Betten, die weit auseinander standen. Aber am Teppich konnte ich den Abdruck der Bettbeine sehen, die Betten standen normalerweise zusammen. Die Frau sah mich an und meinte aufgeregt: „Sehen sie, die Betten stehen auseinander. Nur Freundinnen.“ Ich hab die Frau angelächelt und gesagt: Schön, dass sie so eine nette Freundin haben“. Danach schien sie zufrieden.
Mich hat dieses Erlebnis danach noch sehr beschäftigt. Die Unruhe der Frau, die Angst ertappt zu werden, das Drängen mir ihre „Fassade“ zeigen zu wollen. Wie viele Menschen mussten lebenslang ihr eigentliches Ich verstecken. Wie viel Angst mussten sie gehabt haben davor „erwischt“ zu werden. Nicht wenige, vor allem Männer, wurden sogar strafrechtlich verfolgt! Und wie wirkt sich das auf ihr Alter aus? Auf ihr Leben im Alter?
Umso schöner, dass wir heute auf einem guten Weg sind Homosexualität als eine Lebensform anzuerkennen. Und wunderbar, dass Frauen wie Lennie und Pearl noch im hohen Alter ihre Liebe öffentlich machen und heiraten können.
evamaria Prinz meint
Liebe Sonja, danke für diesen berührénden Beitrag!
Sonja Schiff meint
Freut mich, dass er dir gefällt :-)