Kürzlich hatte ich folgendes Erlebnis:
Auf der Hundewiese lernte ich einen jungen Mann kennen, Fussballer bei Red Bull, Besitzer von zwei Hunden, Ungar. Wir drehten gemeinsam unsere Runden, unterhielten uns zuerst über dies und das, später dann über Hundehaltung in Ungarn, das ja meine zweite Heimat ist. Ich beklagte, dass in Ungarn immer noch Hunde an der Kette gehalten werden und die Ungarn so gar nicht verstehen würden, wie mein Mann und ich mit unseren Hunden umgehen. Der junge Mann nickte und erzählte mir, dass seine Eltern auch nicht nachvollziehen könnten, warum seine Hunde im Schlafzimmer schlafen dürften und schloss seinen Bericht mit dem Satz: „Naja, meine Eltern sind halt auch eine andere Generation.“ Worauf ich zustimmte. Richtig, eindeutig eine Generationenfrage!
So weit, so gut.
Zu Hause angekommen erzählte ich meinem Mann von der Begegnung, von dem Gespräch, den Schlussfolgerungen des jungen Mannes und unserer Einstimmigkeit darin, dass die Haltung zu Hunden generationenabhängig wäre. Die „Alten“ hätten ein anderes Bild von Hundehaltung.
Darauf mein Mann: „Wie alt war der junge Mann?“
Ich: „Etwa 23.“
Mein Mann: „Dann sind seine Eltern so alt wie wir. Die alte Generation von der der junge Mann sprach, das sind wir.“
Ich: „Schluck!“ und langes Schweigen.
Da fiel mir auch wieder eine alte Dame ein, die ich mal betreute, sie war 102 Jahre alt. Irgendwann erzählte sie: „Wissen Sie, manchmal schau ich in den Spiegel und denk mir, Hilfe, wer ist denn diese alte Frau da? Bis ich drauf komme, jössas, das bin ja ich! Ich sag Ihnen, da innen drin, wird man nicht alt.“
Jetzt habe ich zum Thema „Feeling Age“ ein bisschen recherchiert. Was gibt’s denn dazu an wissenschaftlichen Erkenntnissen? Ab wann fühlen wir uns alt? Ist man wirklich so alt wie man sich fühlt?
Kohli und Künemund (2000) haben festgestellt, dass die persönliche Definition von Alter altersabhängig ist. So haben sich bei deren Befragung unter 70 Jährige noch nicht als alt definiert, die 70 bis 74 Jährigen meinten sie würden sich gerade an der Alterseintrittsgrenze befinden, erst die über 75 Jährigen betrachteten sich als alt.
Öberg & Tornstamm (2003) konnten mit einer schwedischen Studie zeigen, dass fast drei Viertel der von ihnen befragten Frauen und Männer dachten, die anderen würden sie jünger einschätzen als sie tatsächlich waren. Die über 80 Jährigen meinten etwa sie würden wie 70 aussehen, 60 Jährige dachten sie würden als 50 Jährige durchgehen. Dieser Selbsteinschätzung steht jedoch laut Perrig -Chiello (2000) eine gegenläufige Fremdeinschätzung gegenüber. Frauen werden nämlich, entgegen ihrer Selbsteinschätzung, von anderen ( jungen Frauen und Männern, sowie alten Männern) viel früher als alt eingeschätzt, als sie selbst es tun.
Übersetzt bedeutet das: Ich bin 50, fühle mich wie 30 oder 40, meine auch ich würde für andere wesentlich jünger aussehen. Aber mein Gegenüber sieht mich in Wirklichkeit als das was ich bin. Nämlich als 50 Jährige.
Zurück zu meiner Begegnung mit dem ungarischen Fußballspieler.
Es war tatsächlich so, dass ich keine Sekunde daran dachte, dass er jung und ich dagegen (in seinen Augen) schon alt bin. Da war einfach die gemeinsame Liebe für Hunde, das gemeinsame Schwingen zu einem Thema. Da gab es kein Alter.
Aber, wie meinte gestern eine gleichaltrige gute Bekannte, als ich ihr diese Geschichte erzählte: „Für DICH gab es kein Alter. Für dich hatte das Alter keine Relevanz. Aber dem jungen Mann war jede Sekunde klar, dass er mit einer alten Frau redet.“
Literaturempfehlung:
Schroeter Klaus, R, 2008: Verwirklichungen des Alterns. In: Amman, Anton, Kolland, Franz (Hrsg.): Das erzwungene Paradies des Alters? Fragen an eine kritische Gerontologie.
suzie meint
aber vielleicht ist es so, dass sich die „älteren“ jünger fühlen, weil es einfach ein gesellschaftliches „must“ ist. sich alt fühlen ist ja fast sowas wie eine niederlage gegenüber den anforderungen.
man kann sich doch eigentlich nur so alt fühlen, wie man ist, da alles andere ja heißen würde, dass man sich jahrelang nicht verändert hat (was ja ziemlich seltsam ist). ich finde es auch komisvh, dass man, wenn man sich gut fühlt, sagt, dass man sich jung fühlt, als könnte sich ein alter mensch nicht gut fühlen.
Sonja Schiff meint
hallo suzie, vielschichtiges thema……kann deinen gedanken gut folgen….danke für den kommentar!
rochus gratzfeld meint
Alt. Jung. Na jedenfalls.
Dieser junge Mann ist definitiv jung.
Er fliegt durch den Strafraum.
Hütet sein Tor mit Aktionen, die mich an den Rollstuhl fesseln würden.
Und dennoch lässt er mich mich nicht alt fühlen.
Ich bin 35 Jahre älterPUNKT
Nicht mehr, nicht weniger.
Und wie oft mag er sich ganz alt fühlen, wenn er am Ball vorbeifliegt?
Ja, ich fühle mich jung.
Dann wieder.
Wenn.
Dann alt. Oder älter.