Freitag war ich beruflich in Wien, hatte einen Termin mit meinem Verlag, und konnte endlich, endlich, endlich einmal etwas von Ai Weiwei sehen, dem großen chinesischen Konzeptkünstler. Im Belvedere läuft gerade seine Ausstellung mit dem Titel Translocation – Transformation, noch bis 20. November 2016. Da musste ich unbedingt hin!
Menschen, die etwas riskieren im Leben imponieren mir. Menschen, die mit künstlerischen Mitteln gesellschaftliche Themen sichtbar machen und sich damit bei den Mächtigen unbeliebt machen, ja sogar ihr Leben riskieren für ihre Botschaften, umso mehr.
Ai Weiwei ist so ein Künstler. Einer der in China lebte und wirkte und trotzdem wagte Stellung zu beziehen, etwa zu Menschenrechtsverletzungen in seiner Heimat und zu der katastrophalen Umweltverschmutzung. 2011 wurde er deshalb verhaftet und verbrachte mehrere Monate an unbekanntem Ort, nach seiner Entlassung, mit vielen Auflagen, war er bis 2015 mit einem Reiseverbot belegt. Danach emigrierte er nach Berlin, wo er heute lebt und arbeitet. Seit er sich wieder frei bewegen kann, hat er einen wesentlichen Schwerpunkt seiner Arbeit auf das Thema Flucht gelegt. So liess er von Flüchtlingen auf der Insel Lesbos zurückgelassene Schwimmwesten sammeln und gestaltet daraus Installationen, in Berlin hat er etwa die Säulen des Konzerthauses mit hunderten Schwimmwesten verkleidet.
Im Belvedere finden sich unter dem Titel Translocation- Transformation zwei Themenbereiche. Auf der einen Seite hat Ai Weiwei chinesische Kulturgüter wie eine Ahnenhalle, die Teekultur, papierene Fabelwesen aus der chinesischen Mythologie und Bronzeköpfen der zwölf Tiere aus dem chinesischen Horoskop disloziert und damit einem Veränderungsprozess unterworfen. Im Park des oberen Belvedere greift er das Thema Flucht auf, dort findet sich eine Installation aus von Flüchtlingen gebrauchten Schwimmwesten, die wie Lotusblüten auf dem Wasser des barocken Bassins schwimmen.
Mir besonders gefallen haben die beiden Installationen „Spouts“ und „Teahouse“ zum Thema Teekultur. „Teahouse“ sieht von Weitem aus wie ein großes braunes Rechteck am Boden, auf dem gleichfarbige kleine Häuser stehen. Erst bei genauen Hinsehen erkennt man, dass die braune Farbe Tee ist und die gesamte Installation aus getrocknetem Tee besteht. Die Installation „Spouts“ schaut von Weitem wie eine beigeweisses Rechteck aus und wenn man näher kommt, entpuppt sich das Material aus zerbrochenem Teegeschirr.
Wahrlich verliebt habe ich mich in die Bronzeköpfen der zwölf Tiere aus dem chinesischen Horoskop. Erstens ist jeder Bronzekopf für sich ausdrucksstark. Ich fand aber auch den Platz für die Bronzeköpfe genial gewählt. Sie stehen am Rand des Bassins und wenn man vor den Bronzeköpfen steht, hat man immer das Schloss Belvedere mit im Blick, sowie die Installation „F Lotus“.
Wer noch Zeit findet oder ohnehin gerade einen Wienbesuch plant, dem lege ich die Ai Weiwei-Ausstellung echt ans Herz. Nichts wie hin! Es lohnt sich!
Die Ausstellung findet statt im 21er Haus, im Schloss Belvedere und im Park des oberen Belvedere. Schaut man sich die gesamte Ausstellung an, dann zahlt man den Eintritt vom 21er Haus und dem Schloss, was ich ein wenig üppig fand, weil ich eigentlich nur eine Stunde Zeit hatte und ausschließlich Ai Weiwei sehen wollte. Ich wollte mich einfach konzentrieren auf Ai Weiwei.
Aber die nette Dame an der Kassa war äußerst besucherorientiert und empfahl mir in meinem Fall nur das Ticket für das 21er-Haus zu kaufen (mit ÖAMTC-Mitgliedschaft 5,50 Euro), die Kunstwerke im ohnehin frei zugänglichen Park zu genießen und auf die im Schloss hängenden papierenen Fabelwesen zu verzichten. Danke an dieser Stelle an die wirklich nette Beratung!
Wer übrigens keine Zeit hat nach Wien zu fahren, bekommt auf der wirklich sehr guten Homepage des Belvedere reichlich Hintergrundinformation zur Ausstellung und Eindrücke von den Kunstwerken.
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